Newsletter 1/2023 |
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In Trauer und mit Sorge |
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+++Steuergerechtigkeit aus Sicht von BMF, Handelsblatt, ifst und BMWK+++Alarm für die Bekämpfung von Steuerbetrug in NRW+++OECD-Mindeststeuer doppelt so gut wie versprochen?+++FIU-Chef geht, Probleme bleiben+++Gangster-Paradise auf der weißen Liste der EU+++Oxfam: #TaxTheRich+++UN fordert: „Machtstrukturen ändern”+++
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Unser Blick auf den Januar 2023
In großer Trauer über den plötzlichen Tod des Mitglieds unseres Koordinationskreises Axel Troost schließen wir uns diesem schönen Nachruf an. Wir erinnern uns an seine Forderung, realistische Konzepte für die Kürzungsdebatten vorzubereiten, wenn demnächst Investitionsbedarfe auf steigende Schulden und Zinszahlungen treffen. Wir hoffen, in seinem Sinne mit unserem Jahrbuch 2023 und den acht Fortschrittsindikatoren für ein gerechteres Steuersystem einen wichtigen Schritt in diese Richtung getan zu haben. Und wir beobachten mit Sorge die Entscheidung des Bundesfinanzhofs zum Soli am Montag und die immer lauteren Rufe nach "Impulsen" bei der Unternehmenssteuer. Allein die Abschaffung des Rest-Soli würde dem Muster-Millionär aus unserem Jahrbuch 10.000 Euro Steuern sparen und seine Abgabenquote von nur 24 Prozent noch um einen weiteren Prozentpunkt senken.
Christoph, Julia und Yannick
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Deutsches Steuersystem
Vier Perspektiven auf die Steuer(un)gerechtigkeit
Christian Lindner will Steuern für den Muster-Millionär (und für Unternehmen) senken: Am kommenden Montag, dem 30. Januar, verkündet der Bundesfinanzhof, ob er die Weitererhebung des Solidaritätszuschlags nach 2019 für verfassungsgemäß hält. Hat er Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit, muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Der Zuschlag wird aktuell nur noch bei den oberen 10 Prozent der Einkommensbezieher fällig; zudem auf Kapitalerträge oberhalb des Sparerpauschbetrags sowie auf die Körperschaftsteuer. Eigentlich sollte das Finanzministerium die Soli-Regelung bei der Verhandlung verteidigen. Doch Christian Lindner hatte vorab überraschend den Rückzug seines Hauses verkündet. Ein ersatzloser Wegfall des Soli wäre ein großer Rückschritt für die Steuergerechtigkeit. Unsere Berechnungen zeigen, dass der typische deutsche Muster-Millionär mit einem Jahreseinkommen von 1,6 Millionen durch einen Komplett-Wegfall rund 10.000 Euro Steuern sparen würde. Seine effektive Steuer- und Abgabenquote beträgt mit 24 Prozent aktuell nur die Hälfte des Durchschnittsverdieners und würde damit um einen weiteren Prozentpunkt sinken.
Das Handelsblatt will vor allem Steuern auf hohe Einkommen senken: Passend zu unserem Jahrbuch – aber aus etwas anderer Perspektive – hat das Handelsblatt das deutsche Steuersystem angeschaut. Ganz oben auf der Liste der Ungerechtigkeiten stehen die für kleine und mittlere Einkommen schnell ansteigenden Einkommensteuersätze und der angebliche “Mittelstandsbauch”. Wie auch das Handelsblatt anmerkt, sind Reformen hier sehr teuer. Den “Mittelstandsbauch” abzuschaffen würde etwa 44 Milliarden Euro kosten und vor allem hohe Einkommen entlasten. Auch der Vorschlag den Spitzensteuersatz später greifen zu lassen und dafür auf 45 Prozent zu erhöhen (Ungerechtigkeit 3), würde das in Summe nicht ausgleichen. Als zweite Ungerechtigkeit folgen die hohen indirekten Steuern, die vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen stärker belasten und in der Vergangenheit im Austausch für Steuersenkungen an anderer Stelle erhöht wurden. Gerade in den letzten Wochen wurde wieder viel über ermäßigte Steuersätze für Grundnahrungsmittel diskutiert. Auch der fünfte Reformvorschlag des Handelsblatts wäre teuer. Würde man, wie z.B. von Fuest im Artikel gefordert, die Grunderwerbsteuer abschaffen, würden jedes Jahr 18 Milliarden Euro Steuereinnahmen fehlen, vor allem von der oberen Mittelschicht. Allerdings gäbe es durchaus Spielraum, durch noch strengere Maßnahmen gegen Share Deals von professionellen Verkäufern den Steuersatz für Erstkäufer zu senken. Genau wie unser Jahrbuch kritisiert auch das Handelsblatt die Steuerprivilegien bei der Erbschaftsteuer für Unternehmenserben und die Steuerbefreiung bei Immobilienverkäufen nach zehn Jahren. Wenn man die Erbschaftsteuer wie vorgeschlagen als Ausgleich für die Streichung der Privilegien allerdings von bis zu 50 Prozent auf 10 Prozent senken würde, blieben kaum Zusatzeinnahmen für die teuren Steuersenkungsvorschläge. Für eine systematischere Analyse lohnt deswegen ein Blick in unser Jahrbuch Steuergerechtigkeit 2023!
Das ifst will vor allem den Unternehmen helfen, das BMWK sieht das etwas anders. In der Debatte zu den Reformaufgaben der Ampelkoalition beim vor allem von Unternehmen und Unternehmensverbänden und dem BMF getragenen Institut für Finanzen und Steuern standen - neben Bürokratieerleichterung und Digitalisierung - Steuersenkungen für Unternehmen im Fokus. Ohne die Rekorddividenden und die Unternehmensgewinne dank Krisenhilfen zu erwähnen, ging es vor allem darum, die “Wettbewerbsfähigkeit” des deutschen Standorts durch steuerliche Maßnahmen zu erhöhen. In der Wunschliste der Teilnehmer*innen fanden sich neben gezielten Investitionsanreizen auch großzügigere Abschreibungsbedingungen für alle Unternehmen oder teils sehr weitreichende und teure Reformen bei der Verlustverrechnung. “Steuerliche Impulse” für die deutsche Wirtschaft und die “Attraktivität des Wirtschaftsstandorts” finden sich auch im Jahreswirtschaftsbericht aus dem BMWK, allerdings mit anderer Perspektive: den nominal vergleichsweise hohen Unternehmenssteuern wird die effektiv deutlich geringere Belastung und die gute Infrastruktur gegenüber gestellt. Konkret schlägt der Bericht u.a. steuerliche Investitionsanreize, die steuerliche Förderung von Rücklagenbildung, eine Verlängerung des ausgeweiteten Verlustrücktrags, eine Überprüfung der Forschungsförderung und eine Erweiterung der Steuerbefreiung für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen vor.
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Steuerverwaltung und Cum-Ex
Alarm für die Bekämpfung von Steuerbetrug in NRW
Eine Steuerfahnderin aus der Düsseldorfer Spezialeinheit Ermittlungsgruppe Organisierte Kriminalität und Steuerhinterziehung (EOKS) kritisiert in ihrem neuen Buch die Aufstellung der deutschen Behörden: „Wir sind kleinteilig, regional und langsam […] Die Täter sind global aufgestellt und wir eben nicht.“ Sie fordert, dass die Steuerfahndung eine eigene Behörde bekommen sollte – wie etwa die bereits diskutierte Bundesfinanzpolizei. Zudem müssten für eine effektive Steuerbetrugsbekämpfung das Steuergeheimnis gelockert und Verdachtsberichterstattung gestärkt werden. Außerdem seien Ausstattung und Personal mangelhaft. Die Lektüre des verlinkten Artikels lohnt sich allein schon für die absurden Anekdoten dieser Unterausstattung.
Kritik insbesondere an der nordrhein-westfälischen Steuerbetrugsbekämpfung kommt auch von politischer Seite: Der ehemalige NRW-Justizminister Biesenbach (CDU) kritisiert seinen Nachfolger Limbach (Grüne) sowie die Behördenchefs der Staatsanwaltschaft Köln wegen ihrer Inaktivität in Sachen Cum-Ex. Die der Aufarbeitung des Steuerskandals gewidmeten Stellen seien teils unbesetzt, teils trotz der hohen Komplexität mit unerfahrenen Beamt*innen besetzt. Auch Steuerfahnder stünden zu wenige zur Verfügung. Angesichts von über 1.500 Beschuldigten fürchtet Biesenbach: "Wenn hier nicht wirklich massiv eingegriffen wird, dann wird Cum-Ex versanden". Der Leiter der Staatsanwaltschaft Roth stand schon im letzten Newsletter wegen der Ablehnung von Ermittlungen gegen Olaf Scholz im Fokus. Trotz dieser guten Neuigkeit für den Bundeskanzler ist die Geschichte für ihn allerdings noch lange nicht ausgestanden: Bald wird er wegen seiner Gedächtnislücken, die er vor dem Finanzausschuss des Bundestags in 2020 noch nicht aufwies, ein drittes Mal aussagen müssen. Kurz zuvor hatte die Koalitionsmehrheit im Finanzausschuss des Bundestags seine Vorladung wegen derselben Fragestellung abgelehnt.
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Weitere Nachrichten:
Neuer Abteilungsleiter Steuern im BMF: Als ehemaliger Referatsleiter im BMWK überspringt Nils Weith, der neue Mann an der Spitze der Abteilung IV, nicht nur eine Karrierestufe (Unterabteilungsleiter), sondern verschlechtert auch die Frauenquote im Leitungsbereich des BMF (4 Männer und 1 Frau ersetzen 3 Männer und 2 Frauen)
Die BaFin schließt die Mainzer North Channel Bank wegen drohender Überschuldung durch Cum-Ex-Rückforderungen.
Das Land NRW muss nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt die Cum-Ex-Schulden in Höhe von gut einer Milliarde Euro der ehemaligen Landesbank WestLB wohl alleine tragen; die nordrhein-westfälischen Sparkassen sind damit zunächst aus dem Schneider.
ProPublica berichtet, wie eines der größten Steuerschlupflöcher für Superreiche in den USA nach jahrelanger gegenläufiger Lobbyarbeit endlich geschlossen wurde. Die sogenannten “syndicated conservation easements” stellen eine Abschreibungsmöglichkeit von Flächen zum Naturschutz dar, wurden jedoch zur Generierung massiver steuerlicher Verluste genutzt.
Cum-Ex-Durchsuchungen im Frankfurter BNP-Büro sowie in Privatwohnungen: Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Köln und deren Ermittlung gegen 58 Beschuldigte fanden diese Woche umfassende Durchsuchungen statt.
Mit großer Verspätung beschließt der Bundestag die deutsche Umsetzung der EU-Richtlinie zum Hinweisgeberschutz um. Auch wenn weiterhin Lücken bestehen, ist diese Regelung ein wichtiger Schritt, der zu effektiverer Aufklärung von Steuerbetrug beitragen kann. Viele Finanzskandale von Cum-Ex bis Wirecard kamen erst durch Hinweisgeber ans Licht der Öffentlichkeit.
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Unternehmenssteuern
OECD-Mindeststeuer im ersten Land Gesetz und laut OECD-Schätzung fast doppelt so ertragreich
Als erstes Land hat Südkorea am 31. Dezember 2022 ein Gesetz für eine Mindeststeuer nach OECD-Modell verabschiedet. Sie gilt (wie auch in der EU) ab 1. Januar 2024. Als Motivation für weitere Länder hat die OECD ihre Schätzung für die erwarteten Mehreinnahmen im Vergleich zur letzten Schätzung aus dem Jahr 2020 auf 220 Milliarden US-Dollar fast verdoppelt. Die Analyse hat allerdings zwei große Haken: Zum einen basiert sie auf Daten von 2017 und 2018, also bevor die US-Steuerreform von Ende 2017 und die EU-Reformen gegen Steuervermeidung (ATAD), die 2021 in Deutschland umgesetzt wurden, ihre Wirkung entfalten konnten. Zum anderen beinhalten die Zahlen noch nicht die Effekte der vor allem für die EU-Steueroasen eingeführten nationalen Top-Up-Tax und anderer bereits absehbarer Ausweichreaktionen.
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Weitere Nachrichten:
- Lobbyismus in FDP-Zeiten: Am 16. Januar 2023 veröffentlichte das ZEW (mal wieder) im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen eine Pressemitteilung mit dem Titel „Deutschland ist der große Verlierer im Standortwettbewerb“. Die Antwort kommt knapp eine Woche später. Im Spiegel verkündet Finanzminister Lindner eine finanzpolitische Zeitenwende mit allem was „ökonomisch und politisch realistisch ist“, weil Steuerpolitik angeblich zu „einem zunehmend wichtigen Wettbewerbsfaktor“ geworden ist. Zur Erinnerung: Die wissenschaftliche Grundlage für diese Behauptung ist bestenfalls dünn.
- Shell erwartet Übergewinnsteuer-Zahlung in Höhe von 2 Milliarden US-Dollar: Großbritannien erhält trotz hoher Steuer wegen der Ausnahmen wenig, die EU deutlich mehr. Weitere Details gibt es am 2. Februar bei der Präsentation der Zahlen für das vierte Quartal 2022.
- ExxonMobil klagt gegen EU-Übergewinnsteuer: Besonders spannend wird die Frage, ob die mit der Krise begründete Mehrheitsentscheidung zulässig war.
- Nachfolgerin von Pascal Saint-Amans bei der OECD angekommen: Es bleibt zu hoffen, dass ihr Hintergrund (US-Amerikanerin, KPMG) nicht prägend ist für Ihre Sicht auf die aktuellen Herausforderungen (unkooperative US-Abgeordnete, Bekämpfung neuer Umgehungsmodelle).
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Schattenfinanz und Geldwäsche
FIU-Chef geht, Probleme bleiben
Weil etwa 100.000 Geldwäsche-Verdachtsmeldungen unbearbeitet liegen geblieben sind und das Parlament und die internationale Gemeinschaft darüber zu spät informiert wurden, ist der Chef der Financial Intelligence Unit (FIU) Schulte am 15. Dezember (offiziell “aus persönlichen Gründen”) zurückgetreten. Eine
Antwort der Bundesregierungauf eine Kleine Anfrage der Linken zeigt jetzt: Eine am 1. Dezember eingesetzte „Task Force” mit bis zu 120 zusätzlichen Beschäftigten hat knapp 60.000 der Meldungen als nicht weiter relevant aussortiert und bis zum 1. Januar 2.583 der verbliebenen Meldungen analysiert. Laut der Anfrage sortiert die FIU Verdachtsmeldungen seit 21. November 2022 in zwei Level: zum einen Meldungen mit klarem Bezug zu einer Straftat oder ohne erkennbaren Wert, die standardisiert weitergeleitet oder in den Informationspool verschoben werden; und zum anderen solche mit „umfassender Komplexität”, die strukturierte Datenauswertungen erfordern. Mit Beratung durch PwC, Task-Force und neuem Zwei-Level-Modell arbeitet die FIU weiterhin an der „Stabilisierung der Bearbeitungsprozesse” und auch eine IT-Reform ist europaweit ausgeschrieben. Jetzt kommt noch die Suche nach einem neuen Chef hinzu.
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Weitere Nachrichten:
Gangster-Paradiese weiter auf der weißen Liste: Seit März 2022 stehen die Vereinigten Arabischen Emirate auf der grauen Liste der FATF. Erst kurz vor Weihnachten schlug die EU-Kommission vor, diese Entscheidung auch für die EU-Liste zu übernehmen. Parlament und Rat haben die Entscheidung noch einmal vertagt – anscheinend hoffen die Emirate darauf, am 20. Februar wieder von der FATF-Liste zu verschwinden und den EU-Prozess so lange hinauszuzögern. Diese politische Sonderbehandlung dürfte ein Grund sein, warum sich Gangster aus aller Welt auf der Palmeninsel Dubais so wohl fühlen.
Deutsches Transparenzregister im Wartemodus: Nach der Entscheidung des EUGH gegen den öffentlichen Zugang zum Transparenzregister ist das deutsche Register theoretisch wieder nach Prüfung eines berechtigten Interesses zugänglich. Die Warteschlange scheint so lang, dass Journalisten und NGOs aktuell mehrere Wochen auf eine Antwort warten. Personal für die Bearbeitung gibt es beim Bundesanzeiger Verlag theoretisch in großer Zahl, praktisch sind diese Angestellten woanders sehr viel sinnvoller aufgehoben. (Nebenbei: Die Bundesanzeiger Verlag GmbH hat am 27.12.2022 die Befreiung vom Jahresabschluss verkündet, der 2021er Abschluss der DuMont-Gruppe lässt weiter auf sich warten.)
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Vermögen, Erbschaften, hohe Einkommen
#Taxtherich – Oxfams Blick auf extreme Ungleichheit
Anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Davos veröffentlichte Oxfam den jährlichen Ungleichheits-Bericht „Survival of the Richest“. Die Untersuchung zeigt, wie Konzerne und die reichsten Menschen der Welt in den aktuellen Krisen extreme Gewinne gemacht haben, während am anderen Ende viele in die Armut gerutscht sind. Während das reichste Prozent der Menschheit seit Corona (2020) insgesamt 26 Billionen US-Dollar des internationalen Vermögenzuwachses auf sich vereinen, bekamen die restlichen 99 Prozent laut Oxfam nur 16 Billionen US-Dollar. In Deutschland gingen sogar 81 Prozent an das reichste Prozent. Oxfam fordert deswegen ein Wirtschaftssystem, in dem das Gemeinwohl aller über dem Profit der Wenigen steht. Für Social-Media übersetzt heißt das: #Taxtherich, also Steuern auf Übergewinne und höhere vermögensbezogene Steuern. Und gemeinsam mit uns mahnt Oxfam Deutschland: In kaum einem anderen Land der Welt wird Arbeit stärker und Vermögen niedriger besteuert als in Deutschland.
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Weitere Nachrichten:
In einer Studie zur Entwicklung von Ungleichheiten als Effekt der Pandemie konstatiert die Ökonomin Stantcheva: Kurzfristig hat die Einkommensungleichheit durch die Pandemie abgenommen, weil es starke kurzfristige staatliche Gegenmaßnahmen gab. Langfristig gab es jedoch strukturelle Änderungen, welche die (Vermögens-)Ungleichheit langfristig steigern könnten. Dazu gehört unter anderem der Umstand, dass auch kurzfristige Arbeitslosigkeit bzw. Unterbeschäftigung in den einkommensschwachen Schichten zum Aufbrauchen von Erspartem geführt hat.
Über 800.000 Menschen in Deutschland müssen nicht arbeiten: Laut Statistischem Bundesamt bestreitet mittlerweile über ein Prozent der volljährigen Bevölkerung seinen Lebensunterhalt nicht durch Arbeit, sondern überwiegend durch Vermögen. Die Zahl der sogenannten Privatiers ist allein von 2020 bis 2021 um fast 100.000 gestiegen. Seit dem Jahr 2000 hat sie sich nahezu verdoppelt. Vor allem die Gruppe der unter 65-jährigen ist stark gewachsen.
Bayern beschließt Klage gegen die Erbschaftsteuer vor dem Bundesverfassungsgericht. Mit dem Jahressteuergesetz 2022 werden Immobilien bei der Erbschaft realistischer (höher) bewertet. Für einige Menschen in Bayern (und anderen Gegenden mit hohen Immobilienpreisen) bedeutet das im Fall einer Erbschaft oder Schenkung ein paar Tausend Euro Steuern zusätzlich. Die CSU fordert deswegen höhere, regionalisierte Freibeträge und will dafür auch vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
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Steuern und Entwicklung
UN fordert: „Machtstrukturen ändern”
Ungleichheit ist Ursache und Folge der globalen Krisen. Sie ist kein Unfall, sondern wesentlicher Bestandteil des „Systems” und sichert die bestehenden Machtstrukturen. Dieses Ergebnis findet sich noch nicht in einer Resolution der UN-Generalversammlung, aber nun in einem Bericht des unabhängigen UN-Forschungsinstituts für soziale Entwicklung (UNRISD) mit Büro in Bonn.. Die UN-Generalversammlung war etwas vorsichtiger, hat aber immerhin das Budget für einen Bericht des UN-Generalsekretärs zu Möglichkeiten einer neuen globalen Steuer-Architektur freigegeben. Damit setzt sie eine lange ersehnte und Ende 2022 in stark verwässerter Form beschlossene Resolution in diesem Sinne um.
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Weitere Nachrichten:
- Eine Studie zur Untererfassung von Einkommen in Indien zeigt: Je reicher der Haushalt, desto geringer das Verhältnis von Vermögen zu deklariertem Einkommen. Da die Rendite mit steigendem Vermögen tendenziell anwächst, deutet dieses Ergebnis auf hohe, mit zunehmendem Reichtum anwachsende Summen an nicht-deklariertem (Kapital-)Einkommen hin.
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Veranstaltungen:
5. Februar, 19:00 Uhr: Jeeps – Theaterstück der Münchner Kammerspiele zum Thema Erben Maxim-Gorki-Theater, Anschließend Publikumsgespräch mit Julia Friedrichs, Saskia Esken und Julia Jirmann https://www.gorki.de/de/jeeps/2023-02-25-1900
31. Januar, 18:00- 19:30 Uhr: Veranstaltung zu Steuerprivilegien im Immobiliensektor. Diskussion mit Melanie Weber-Moritz (Deutscher Mieterbund), Nico Schmid (Investigate Europe) und unserer Julia Jirmann, Registrierung hier.
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Hörens- und sehenswert:
- „Das Klima und die Reichen” (Panorama) zeigt schön den hohen CO2-Konsum der Reichen. Reaktion von Robert Habeck auf ein individuelles CO2-Budget: “Die Gerechtigkeitsfrage lösen wir in allen sozialen Gesellschaften nicht über das Verbot von Wohlstand, Arbeit oder Reichtumserwerb, sondern über die Besteuerung.”
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