Reflexionen aus den Proben zu Romeo & Julia
In dieser Inszenierung geht es nicht um bloßes Verliebtsein. Es geht um
eine tiefere Form der Begegnung: darum, wie man durch den anderen
verwandelt wird. Liebe bedeutet, sich im anderen zu verlieren – und
gleichzeitig neu zu sich selbst zurückzufinden. Nicht, weil man sich
ähnelt, sondern gerade weil man verschieden ist. In dieser
Andersartigkeit liegt die Kraft des Eros, der mehr erschafft als
zerstört.
Eine Figur wie Julia bricht radikal mit den Regeln, die ihr
vorgegeben sind. Es trifft sie – und sie spielt nicht mehr mit. Sie
lässt los, wirft alles über Bord. Und sie tut das mit voller Klarheit,
ohne doppelten Boden. Da liegt eine ungeheure Kraft in dieser
Entscheidung.
Es ist diese unbedingte Offenheit, die einen tief berührt – das
Suchen nach einem Echo im anderen. Wenn dieser Resonanzmoment eintritt,
wenn man sich im Blick oder der Geste des Gegenübers selbst erkennt,
dann kann man sich ein Stück weit auflösen. So entsteht Verbindung,
nicht durch Wissen oder Vorsicht, sondern durch ein radikales
Sich-Einlassen.
Heute scheint diese Form der Verbindung schwerer denn je. Wer sich heute auf Beziehungen einlassen will, muss oft erst viele Dinge „wissen“ – muss vorsichtig abwägen, was geht, was passt, was sicher ist. Doch wahre Nähe braucht Mut zur Unsicherheit. Es braucht diesen Moment, in dem man nicht mehr kalkuliert, sondern springt.
Im Stück passiert das auf dem berühmten Maskenball – dem Moment der
Begegnung - ein Übergangsritual, ein Punkt im Leben, der alles
verändert. Ein Kairos-Moment, wie ihn die alten Griechen nannten: der
günstige, unwiederholbare Augenblick.
Was an diesem Stück außerdem fasziniert, ist sein Tempo: Zwei Tage –
mehr Zeit haben diese Liebenden nicht. Und doch ist darin alles
enthalten. Romantik, Tragik, Sinnlichkeit – und die Ahnung vom Ende,
noch bevor die Liebe überhaupt richtig beginnt.
Die Sprache ist dabei nicht nur Mittel, sondern Material. Sie fordert
heraus, eröffnet Möglichkeiten, bietet Rätsel. Was sagt der Witz über den Schmerz, der in ihm steckt?
Und wer liebt hier eigentlich wen?
Manche Figuren scheinen auf der Suche, andere schon am Ende ihres
Weges. Manche spielen Rollen, andere fallen aus ihnen heraus. Und
mittendrin begegnen sich zwei, die sich erkennen – für einen Moment.
Einen, der alles verändert.
Text: Katharina Kwaschik
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