Neue Männer in der Company – Hans, David, Joel im Interview mit Michael
Ein Musiker, der Schauspieler werden wollte, ein Schauspieler, der Musiker werden sollte und ein Klassenclown treffen an diesem sonnig-warmen Apriltag in einem Café am Spreeufer aufeinander.
Ich habe für unser Willkommens-Gespräch wieder diesen Ort gewählt, weil er nicht nur herrlich nah am Wasser sondern ebenso nah an der Probebühne im Kabaretttheater „Die Distel“ gelegen ist. Dort proben Hans und David schon seit zwei Wochen in unserer Neuproduktion „Viel Lärm um nichts“ oder, wie es korrekter übersetzt hieße „Viel Getue um nichts“ oder wie der begnadete Shakespeare-Analytiker Ekkehard Krippendorf heraus gefunden haben will: „Viel Getue ums Mitkriegen“. MUCH ADO ABOUT NOTHING kann nämlich altenglisch durchaus als MUCH ADO ABOUT NOTING gelesen werden und „noting“ heißt auch heute noch „bemerken“.
Ums Bemerken, Bemerkt werden und nichts Mitkriegen geht es in Shakespeares vermutlich um 1599 entstandener Komödie durchweg. Detaillierteres dazu werden wir in unserem JUNI-Newsletter kurz vor der Premiere am 7.6.2022 erörtern.
Nun sitzen Hans, David und Joel zum ersten Mal zusammen und nehmen Notiz voneinander, NOTING!
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Hans Petith,
der die musikalische Leitung in VLUN –wie das Stück mittlerweile intern heißt- übernommen hat, ist mit allen Wassern einer langen Theaterlaufbahn gewaschen. Nach mehreren, wenig erfolgreichen Versuchen eine Schauspieler- oder besser noch Regielaufbahn einzuschlagen, landete er schließlich bei einem Klavierstudium in Bremen. Durchaus folgerichtig, hatte Hans doch aufgrund der musikalischen Vorbildung seiner Mutter und langjährigem Unterricht das Instrument schon gut im Griff.
„Prioritär war für mich schon immer das Theater, aber inzwischen habe ich verstanden, warum die mich damals nicht genommen haben.“ - gibt Hans gelassen zu. Die Höflichkeit verbietet es, genauer nachzufragen. Über ein zweites Studium an der Berliner UdK, welches mit musikpädagogischem Ansatz eine größere stilistische Bandbreite bis hin zum Jazz offerierte, landete er schließlich doch noch am Theater. Seit nunmehr fast 20 Jahren trägt er den klangvollen Titel „Schauspielkapellmeister“ am Staatstheater Rostock nachdem er sich freiberuflich als Komponist, Arrangeur, Bühnenmusiker und in kleineren Auftritten doch noch als Schauspieler durch die Theater in Theatern Bremen, Heidelberg, Magdeburg, Rostock, Zittau und Berlin gewühlt hatte.
So eine „Konifere“ (wie der Sprachakrobat Holzapfel in VLUN sagen würde), bekommen wir normalerweise nicht zu uns in die Company. Festangestellte Theatermenschen haben keine Zeit für uns. Bei Hans ist das momentan anders. Zu unserem Glück sind seine Aufgaben in Cottbus wegen der speziellen Ausrichtung der gegenwärtigen Leitung überschaubar und er hat Zeit, gewissermaßen nebenbei und doch mit vollem Einsatz für uns zu arbeiten.
Mit ihm unterhalte ich mich über seine Erfahrungen mit Shakespeare und über den berühmten Ausspruch Heiner Müllers „Solange Shakespeare unsere Stücke schreibt, sind wir noch nicht bei uns angekommen.“ Während ich meine, dass sich der Satz auf das Unvermögen der Menschen, friedlich miteinander auszukommen bezieht, interpretiert Hans ihn eher als eine Klage über die mangelnde Qualität gegenwärtiger Theaterautoren. Wie auch immer,
„…die Zeitlosigkeit der Stücke Shakespeares, wie abgedroschen dieses Wort auch ist, fasziniert mich jedes Mal aufs Neue. Man kann die Stücke modern interpretieren oder einfach so lassen, wie sie sind, sie erzählen immer gegenwärtige Geschichten. Nur, wenn man versucht, einen anderen Sinn aufzupfropfen, funktioniert das meistens nicht.“
Für die Möglichkeit, mit dem universellen und unerschöpflichen Werk Shakespeares jetzt im Rahmen der SCB weiterzuarbeiten ist Hans sichtlich dankbar und wir sind dem Staatstheater Cottbus dankbar, dass es uns ein so potentes Leitungsmitglied wie Hans einfach so ausleihen kann. Das ist gelebte Kulturförderung!
David Nádvornik
wird in VLUN unter anderem den sizilianischen Gouverneur Leonato spielen. Mit David begrüßen wir den zweiten Prominenten unter unseren Neuzugängen. In der berühmten Musicalversion des Mehrteilers „Ku’damm 56“ rührte er noch bis vor kurzem Berliner wie Touristen als ungeliebter Sohn und unbeholfen Liebender Joachim Franck zu Tränen.
„Die Rolle war aufgrund ihrer Abgründigkeit und Tiefe eigentlich nichts für einen En-Suite-Betrieb. So etwas will man nicht 8-mal pro Woche spielen." – David spielt mit diesen Worten auf eine sehr eindrückliche Vergewaltigungsszene an und auf den Einwand, dass man ja als Schauspieler so etwas vom Privaten abspalten müsse, erwidert er: „Der Körper weiß es trotzdem und nimmt es mit sich. Bestimmte Muskeln sind dann dauerhaft verspannter als sie sein sollten.“
Diese ganzheitliche Art des Erlebens von Schauspielkunst beweist, dass David durch und durch Schauspieler und eben nicht nur „Darsteller“ ist. Zum Theater kam der 1987 Geborene über eine Hospitanz in seiner Heimatstadt Bonn, wo er doch eigentlich schon auf eine Laufbahn als Gitarrist innerlich festgelegt war. Als Teenager hatte er das Instrument in seinen Händen plötzlich nicht mehr gemocht, was sicher als instinktives Aufbegehren gegen eine vorgezeichnete Lebensbahn verstanden werden kann. Im Schauspielstudium an der Musik- und Theaterhochschule Rostock und später im Engagement am Theater Magdeburg kam ihm dann seine Doppelbegabung als musizierender Schauspieler wieder zugute, wobei auch hier ein wenig Schmerz mitklingt:
„Weil ich Gitarre spielen konnte, musste ich dann immer Musiker spielen und bekam dadurch oft Nebenrollen, weil Figuren, die musizieren, selten Hauptrollen sind.“
Von seinem Eintritt in die SCB erhofft sich David eine stärkere Gewichtung der kreativen Rollenarbeit, die in der Musicalbranche oft hinter der tänzerischen und sängerischen Arbeit zurücktritt. Das selbstverantwortliche Produzieren auch im wirtschaftlichen Sinne, wie wir es gewohnt sind, ist ebenfalls neu für David und wird von ihm mit verhaltener Neugier angegangen:
„Ich riskier das jetzt einfach mal.“ – sagt David, ohne bereits eine besondere Berufung zum Theaterunternehmer zu verspüren. Sorgen wir dafür, dass sein „Risiko“ sich lohnt!
Joel Schulze-Motel
ist der „junge Milde“ in unserem Dreiergespann. Trotz seiner Jugend (24 Jahre) wirkt er ruhig, zentriert und heiter auf mich. Galt er in seiner Schulzeit noch als Klassenclown, der nie so ganz er selbst sein durfte, bezeichnet er sich heute als „mehr der laid-back-Typ“. Seine Leidenschaft fürs Spielen entdeckte er im Schulfach Darstellendes Spiel. „Da konnte ich endlich…“ -er zögert, sucht nach dem richtigen Ausdruck- „…Farbe zeigen!“ Vor zwei Jahren schloss er seine Schauspielausbildung am Europäischen Theaterinstitut Berlin ab. Dort durfte ich ihn für eine Weile als Dozent begleiten in einer -wie auch anders- Shakespeare-Variation, in deren Rahmen er sich als Stefano aus dem STURM und als Hamlet ausprobieren konnte. Seither kamen einige wenige, gleichwohl spannende Rollen in freien Theaterproduktionen auf ihn zu, unter anderem Melchior Gabor in Wedekinds „Frühlingserwachen“. Mit dieser, sehr tief und tragisch empfundenen Figur konnte er beim nicht ganz leichten Vorsprechen der SCB überzeugen und wird nun -vorerst als Gast- in unsere letztjährige Neuproduktion OTHELLO eingearbeitet.
„So gegensätzliche Rollen wie Rodrigo und Montano zu erarbeiten und dazu noch in eine schon fertige Inszenierung hineinzuwachsen, reizt und beängstigt mich gleichermaßen. Der Reiz ist sicherlich, eine schon vorgegebene Struktur bestmöglich zu erfüllen und die Gefahr ist, dass ich mich in den Abläufen verheddere und bei all den schnellen Umzügen nicht mehr weiß, was als nächstes kommt.“
Diese Bedenken geben mir Gelegenheit, nochmal aus der Position des Kollegen in die des Schauspiellehrers zurückzufallen und ihm den nicht teuren, aber hoffentlich guten Rat zu geben, er möge sich seine Abläufe hinter der Bühne gut lesbar notieren, um jederzeit in der Hitze des Gefechts den Überblick wiederzufinden. Im Übrigen bin ich überzeugt, dass er keinen Mentor mehr benötigt und gut auf eigenen Füßen steht. Die ersten musikalischen Proben und sein Umgang mit Tenorhorn und Fasstrommel sind absolut viel versprechend.
Begrüßen wir also Hans, David und Joel ganz herzlich und freuen wir uns auf ihr Wirken in der Shakespeare Company Berlin und auf eine hoffentlich traumhafte Saison in unserem neuen Theater im Sommerbad am Insulaner und auf Gastspielen hier und dort!
Michael Günther, 30.4.2022 |